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Ausstellungen

Die Pilgerschaft in die Ausstellung sei all jenen empfohlen, die lernen wollen, wie man ein anständiges Aquarell malt. Wobei anständig nicht heißt: nach dem Lehrbuch.

Bruno Müller-Linow scherte sich um Purismus wenig und kombinierte die Wasserfarben immer wieder transparent und deckend. Der Zärtelei gestaltlos ineinanderlaufender Farblachen zog er das kraftvoll gebaute Bild vor.

Die vom Galeristen-Sohn Markwart Müller-Linow jetzt getroffene Auswahl aus dem Nachlass ist zu Recht "Noch nie gezeigt" überschrieben. Die Blätter reichen zurück bis ins Jahr 1941, als der Künstler dank eines Villa-Massimo-Stipendiums in Rom weilte.

Die Arbeiten mussten zum Teil für die Präsentation erst konservatorisch aufbereitete werden: Jetzt überspannen Sie ein halbes Jahrhundert aquarallistische Produktion. Mit Beispielen, die belegen, dass ihr Urheber sich auf Gegensätzliches gleichermaßen gut verstand: Intimes und Weites, Repräsentatives und Alltägliches, Wildwüchsiges und Geordnetes, Zeichnerisches und Frei-Koloristisches.

Über den fingerdick umzogenen, langgestreckten Hügeln der "Weserberglandschaft" von 1952 mischen sich auf dem Blatt Blau und Braun zu Wolkenkörpern, mit Rissen dazwischen, damit die offenen Stellen Papierweiß sie voluminös in Szene setzen können.

Durch keinen Vordergrund behindert, klettert der Blick im Wechsel von Hell- und Dunkelzonen in immer größere Fernen. Aber auch die "Amarayllisblüten am Fenster" von 1990 lassen sich nicht nur aufs Häusliche begrenzen. Das zu geschwungenen Formen verfestigte Orangerot hebt sich ab vom Gegenlicht, das mit Macht von draußen gegen Fensterscheiben und Vorhänge andrängt.

Das sind im Doppelgriff von Sensibilität und Entschlossenheit festgehaltene Momente des Lebens - Bilder, in denen die Farben übermäßig auf Eyecatcher-Effekt spekulieren, bleiben außen vor, obschon es derlei besonders in Müller-Linows letzten Schaffensdekaden gab.

Einiges mag einem trotz des Ausstellungstitels bekannt vorkommen: Es sind Aquarelle, die Vorarbeiten für Ölbilder waren, welche schon zu sehen waren. Unübersehbar sind Nähen zu Kollegen, die der Maler schätzte, deren werke er teils sogar sammelte, aber nie kopierte.

Eher ist von Abverwandlung zu sprechen wenn man Max Pfeiffer-Watenphul aus einer Gouache von 1958 herausliest, aus einer anderen von 1947 Schmidt-Rottluff: Bruno Müller-Linow kannte diesen Maler persönlich und gab gern zu, dass er Schmidt-Rottluffs expressive "Regenwurm-Konturen" um die Bildgegenstände selbst eine Weile genutzt habe.

Müller-Linow schwankte nie in seiner Treue zum Figurativen, wusste aber trotzdem Bescheid um die Möglichkeiten des Nachkriegs-Informel. Das zeigt das Baum- und Strauchdickicht auf "Märzschnee im Herrengarten" von 1982. Ein kleines "Wiesbadener Interieur" von 1972 verrät mit seinem mehrfachen Raumdurchblick durch Tür- und Fensterrahmen zudem, wie sehr auch der Konstruktivismus zu seiner Grundausstattung gehörte.

Davon zeugt bereits der klare Aufbau des frühesten Beitrags, des Hochformats "Park in der Villa Massimo". Zwischen eine anonym-graue Statue auf schlankem Sockel im Vorder- und dunkelgrünen Zypressen und Kiefern im Hintergrund schiebt sich ein herbstlich verfärbter Laubbaum.

Das Flirren seiner Blätter-Tupfen lässt noch die Verehrung des Urhebers für den Impressionismus ahnen, aber ebenso, dass er dabei kaum stehen bleiben würde.
(Quelle: Held; Darmstädter Echo, 29.11.07)

 

 
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